Strassenlärmsanierungen: Bundesgericht schickt Kanton Luzern zurück auf Feld eins

Hoffnung für Lärmgeplagte in der ganzen Schweiz: Das Bundesgericht schickt eine im Jahr 2000 rechtsgültig verabschiedete Lärmsanierung zur Neubeurteilung zurück an den Kanton Luzern. Das Gericht begründet den Entscheid unter anderem mit den seither neu gewonnen Erkenntnisse zur gesundheitsschädigenden Wirkung von Strassenlärm und über die positive Wirkung von Tempo 30 als Lärmschutzmassnahme. Der siegreiche Privatkläger fordert nun die Prüfung von Tempo 30 auf der Hauptstrasse und des Einbaus eines lärmarmen Belags. Gemäss Bundesamt für Umwelt ist beides «zwingend zu prüfen».

Nach gut fünf Jahren, hunderten Stunden Arbeit und zehntausenden Franken Prozesskosten hat das Bundesgericht entschieden: Das Lärmschutzprojekts (LSP) aus dem Jahr 2000 muss vom Kanton frisch beurteilt werden. Damit korrigiert das Bundesgericht den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern und hebt erstmals ein rechtsgültig erlassenes LSP auf. «Das ist ein enorm wichtiger Entscheid, denn er verhindert, dass sich die Behörden weiter hinter ihrem Trickli der ‘Papiersanierungen’ verstecken können», sagt Dominik Hertach. Der Geschäftsführer des VCS Luzern hatte als Anwohner der Luzernerstrasse gegen diese Praxis privat geklagt und jetzt Recht bekommen. «Das Urteil gibt vielen anderen Lärmbetroffenen ein Mittel in die Hand, um sich unter bestimmten Voraussetzungen gegen die teilweise vor Jahrzehnten durchgeführten Pseudo-Lärmsanierungen zu wehren.»

Der Kanton Luzern bediente sich im Jahr 2000 beim Lärmsanierungsprojekt einem schweizweit gängigen «Trick»: Statt den übermässigen Strassenlärm wie im Umweltschutzgesetz und der Lärmschutzverordnung gefordert mit Massnahmen an der Quelle zu reduzieren, etwa der Einführung von Tempo 30, erklärten die Behörden, dass (aus politischen oder finanziellen Gründen) keine solchen Lärmsenkungs-Massnahmen möglich seien und befreiten sich mittels «Erleichterungen» gleich selbst von der bundesrechtlichen Sanierungspflicht. Das hatte zur Folge, dass die Strasse in der Realität zwar bis heute Lärmwerte weit über den gesetzlichen Grenzwerten ausweist, auf dem Papier aber als «lärmrechtlich saniert» gilt und der Kanton nichts mehr unternehmen muss. Die Leidtragenden sind die Anwohnerinnen und Anwohner, die über Jahrzehnte einem gesundheitsschädigenden Lärm ausgesetzt sind.

Bundesgericht gewichtet den Gesundheitsschutz hoch

Damit ist jetzt Schluss: Mit dem Bundesgerichtsurteil zur Luzernerstrasse erhalten Anwohner die Möglichkeit, in alten Lärmschutzprojekten den Widerruf der gewährten Erleichterungen und nachträgliche Sanierungsmassnahmen einzufordern. Das Bundesgericht bejaht im Urteil Luzernerstrasse erstmals einen solchen Anspruch auf Wiedererwägung, und zwar je stärker, je näher sich die Lärmwerte beim Alarmwert befinden. Bedingung dafür ist, dass sich die Voraussetzungen, unter denen das alte Lärmschutzprojekt bewilligt worden war, wesentlich verändert haben. In Kriens (und an vielen anderen Orten) ist das der Fall: So sei inzwischen klar, dass das – noch bis vor kurzem genutzte – Lärmberechnungsmodell StL-86+ die lärmsenkende Wirkung von Tempo 30 unterschätzt. Zudem hat sich die Rechtsprechung in jüngster Zeit verändert; Tempo 30 gilt gemäss Bundesgericht heute auch auf Hauptstrassen «ohne Weiteres als taugliches Instrument zum Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner vor übermässigem Lärm». Weiter haben sich die lärmarmen Beläge technisch weiterentwickelt (der an der Luzernerstrasse im Jahr 2000 als lärmsenkend eingebaute Belag ist nach heutigem Kenntnisstand sogar lärmverstärkend). Zudem betont das Gericht, dass heute wesentliche neue Erkenntnisse über die gesundheitsschädliche Wirkung von Lärm vorliegen (Sirene-Studie; neue Grenzwertempfehlungen der EKLB), die in der Vergangenheit nicht berücksichtigt werden konnten. Dazu kommt im aktuellen Fall, dass die im Rahmen des Prozesses vom Kanton Luzern in Auftrag gegebenen Lärmmessungen zur Überprüfung der Lärmwerte zu Ungunsten des Klägers fehlerhaft durchgeführt worden sind. Aus all diesen Gründen hebt das Bundesgericht das Urteil des Kantonsgerichts auf und weist die Überprüfung des Lärmschutzprojekts zurück an die Dienststelle Umwelt und Energie (uwe) des Kantons Luzern.

VCS begrüsst das Urteil

Der VCS Luzern begrüsst das Krienser Urteil als Bestätigung der bisherigen Arbeit des Umweltverbandes. «Wir setzen uns seit Jahren konsequent für einen wirkungsvollen Lärmschutz im Kanton Luzern ein, oft auch gegen den Wiederstand der Kantonsbehörden», sagt Michael Töngi, Präsident des VCS Luzern. «Das Urteil bestätigt uns, dass wir richtig handeln.» Für den VCS Luzern muss der Bundesgerichtsentscheid Konsequenzen haben: Der Kanton Luzern müsse jetzt umgehend mit der Nachsanierung der oft nur auf Papier erstsanierten Strassen beginnen. «Und zwar abgekoppelt von übrigen Strassenprojekten», fordert Töngi.

Für Kläger Dominik Hertach ist das Urteil eine Genugtuung: «Von Beginn an war unbestritten, dass die Lärmwerte über den gesetzlich zulässigen Grenzwerten liegen. Von Beginn an war unbestritten, dass dieser Lärm die Gesundheit der Anwohner schädigt. Und von Beginn an war unbestritten, dass es zweckmässige Massnahmen gibt, um den Lärm effektiv zu senken», sagt Hertach. Dass er als Privatperson trotzdem mehrere Jahre, viel Geld und noch mehr Energie aufwenden musste, bloss um auf Gerichtsweg zu erwirken, dass der Kanton Luzern seine gesetzliche Pflicht zum Lärmschutz wahrnehmen würde, ist für ihn unverständlich. «Es braucht jetzt ein klares Statement des zuständigen Regierungsrates, dass der Kanton Luzern den Lärmschutz wie vom Bundesgesetz gefordert, rasch und konsequent umsetzen wird», fordert Hertach. «Die Einhaltung des Lärm- und damit des Gesundheitsschutzes der Luzernerinnen und Luzerner ist eine gesetzliche Pflicht und politisch nicht verhandelbar.»

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